Thomas Bernhard „Heldenplatz“ – Der Skandal | I.6. Zur Relativität von Skandalen

Bei der Untersuchung von Skandalen gilt es sich immer vor Augen zu halten, dass diese relative Phänomene sind, wodurch auch ihre Funktionen nicht fix sind. Ebenso relativ sind die in ihnen verhandelten Normen: Sie unterscheiden sich zwischen den Subsystemen sowie zwischen den Kulturräumen, aber auch von Epoche zu Epoche. Jeder Sozialbereich mit seinen speziellen Normen hat daher seine spezifischen Skandale. Für den Heldenplatz-Skandal stellt sich daher die Frage, welcher Art von Skandal man ihn zuordnen soll. Orientiert man sich zum Beispiel an Neckels Definition eines politischen Skandals, so ist eine Einstufung als solcher durchaus vertretbar.[48] Dazu ließe er sich aber auch als Theaterskandal betiteln.[49] Manche mögen gar von einem Pseudoskandal sprechen.

In dieser Arbeit soll der Heldenplatz-Skandal hingegen gemäß seiner Form primär als Medienskandal betrachtet werden, der sich dadurch auszeichnet, dass er von den Medien, in denen die Normverhandlung hauptsächlich stattfindet, selbst generiert wird.[50] Darüber hinaus weist der Medienskandal folgende Kernmerkmale auf: Hohe Publizität, sehr hohe Streuwirkung, Inszenierungshoheit der Skandalierer und professionell sowie nicht-professionell produzierte Aussagen in verschiedenen Öffentlichkeiten. Neben der Untersuchung als Medienskandal soll die „Causa Heldenplatz“ auch als Literaturskandal – bzw. allgemeiner als Kunstskandal – gelten. Welche Eigenschaften diese auszeichnen, gilt es daher zunächst zu prüfen.

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[48] Vgl. Fußnote 42.
[49] So bspw. Noack: Theaterskandale, S. 152-156.
[50] Vgl. dazu Burkhardt: Medienskandal, S. 132-135.

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