Nach den bisher erörterten Merkmalen des allgemeinen Skandals überrascht es nicht, dass auch Literaturskandale primär über den Bruch mit Normen definiert werden:
Literatur- und Kunstskandale liegen vor, wenn Akteure oder Medien des literarischen bzw. künstlerischen Feldes an Normkonflikten beteiligt sind, die zu einem Skandal führen.[51]
H.-E. Friedrich unterscheidet zwei Möglichkeiten, wo der skandalöse Normkonflikt auftreten kann:[52] Zum einen kann er innerhalb des Literaturbetriebs selbst auftreten („autonomer Literaturskandal“), etwa wenn einem bereits beachteten resp. geachteten Werk von Autoren, Kritikern u. a. Vertretern der Literatur durch Verweis auf bestimmte literarische oder ästhetische Normen die Qualität abgesprochen wird. Zum anderen kann das Literatursystem als Ganzes oder in Teilen mit anderen Systemen kollidieren und Skandale erzeugen („heteronomer Literaturskandal“). Diese Zweiteilung lässt sich weiter verästeln. C. Dürr und T. Zembylas machen sechs „Reibungsflächen“ aus, die jeweils einen anderen Normkonflikt bestimmen.[53] So kann die Literatur sowohl mit der Politik kollidieren als auch mit der aktuell herrschenden Moral. Des Weiteren können Schriftsteller mit den Erwartungen an ihre Rolle brechen. Dies kann unfreiwillig geschehen oder inszeniert werden, etwa um sich ein bestimmtes Image zu Nutze zu machen. Ein weiterer Konflikt kann entstehen, wenn sowohl Anspruch auf die Freiheit der Kunst als auch auf andere Grundrechte erhoben wird. Schließlich kann es auch zu Auseinandersetzungen innerhalb des Literaturbetriebes kommen.
Man kann den Literaturskandal nun zur vertiefenden Untersuchung anhand der oben aufgestellten Merkmale des allgemeinen Skandals bzw. des Medien- und Politskandals durchdeklinieren. Interessante Aspekte finden sich in der noch spärlichen Forschungsliteratur vor allem in Hinblick auf das Verhältnis der Literatur zu den allgemeinen Normen und auf die Funktion des Skandals für den Autor.[54]