Thomas Bernhard „Heldenplatz“ – Der Skandal | III.3.c) Die Reaktionen von Politik und Öffentlichkeit

Die Strategie der „Krone“ ist weitestgehend aufgegangen, wie sich neben der Auflage an den Stellungnahmen der Politiker und Leser zum Thema ablesen lässt.[131] Dass Jörg Haider ganz im Sinne der Skandalierung durch die „Krone“ reagierte, wurde bereits erwähnt. Doch auch andere konnten dem Drang sich zu äußern trotz der unsicheren Faktenlage nicht widerstehen und griffen die Deutungsmuster der Zeitungen unreflektiert auf.[132] So nannte beispielsweise der Außenminister und Vizekanzler Alois Mock Heldenplatz in der „Krone“ eine „ordinäre Österreichbeschimpfung“, deren Aufführung mit Steuergeldern „inakzeptabel“ sei. Alt-Kanzler Kreisky ließ über dasselbe Medium aus Mallorca verlautbaren: „Das darf man sich nicht gefallen lassen!“ Und auch Bundespräsident Waldheim schaltete sich über die Wochenpresse ein, weil „dem Land Schaden droht[e]“. Er sei zwar „voll und ganz für die Freiheit der Kunst“, verortete das Stück allerdings „eben nicht in den Grenzen dieser Freiheit“, da es „eine Beleidigung des österreichischen Volkes“ sei, die „nicht auf einer Privatbühne aufgeführt [wird]“.[133]

So wie viele Politiker die Deutungsmuster der Skandalierer scheinbar blind übernahmen und den Journalisten polternd nach dem Mund redeten, so werteten auch viele Leser den Skandal naiv im Sinne der Zeitungen. Auch sie konnten vielfach aus Empörung nicht an sich halten. Ein Brief an Peymann verdeutlicht dies beispielhaft:

Mitteilung

Erstaunt lese ich in der „Krone“, dass Sie es anscheinend für künstlerisch wertvoll halten, wenn Th. Bernhard nur mehr Geld verdienen kann, indem er seine Mitmenschen beschimpft und auf seine frühere Dichtkunst vergisst.

Ich empfehle denn doch, diesen Brief recht gut zu lesen. […] wenn es wahr wäre, dass da auf der Bühne als Kunst mitgeteilt wird, dass nach Meinung von Th. B. alle Österreicher debil sind, stumpfsinnig oder Massenmörder […] – so fühle ich mich als einer dieser „alle“ Österreicher persönlich beleidigt und bin nicht bereit, das als Kunst eben hinzunehmen. Das hat mit künstlerischer Freiheit aber wirklich nichts zu tun– [sic] von Dichtung ganz zu schweigen.

Daher – nun da kann ich nur warten, wenn Sie das Stück aufführen, ob dieser Text wirklich in der Krone-Darstellung kommt.

Wenn ja, so werde ich diesen Herrn Bernhard wegen Verunglimpfung und Ehrenbeleidigung klagen, damit etwas von seinem durch Subventionstheater bezogenen Honorar zurückkommt. Ich gebe es, das sei festgehalten, gerne dem Rotkreuz.

Was Sie betrifft, muss ich erst prüfen lassen, ob Sie nicht auch klagbar sind, weil Sie als verantwortlicher Direktor solche beleidigenden Texte wiedergeben lassen. Es würde mich freuen, das sag ich ehrlich. Irgendwo muss doch mit Ihrer sogenannten Kunstfreiheit eine Grenze gezogen werden.[134]

Eine noch deutlichere Reaktion im Sinne der Deutungsmuster der „Krone“ war wohl nur der tätliche Angriff auf Thomas Bernhard, der von einem „feinen Herren“ mit Stock auf offener Straße durchgeführt wurde.[135]

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[131] Aufgrund der Dauer des Skandals und der Fülle der Beiträge können hier nur einige Beispiele aufgegriffen werden. Für eine umfangreiche, wenn auch nicht komplette Zusammenstellung, wie von Löffler kritisch angemerkt wird [vgl. Fialik: Anarchist, S. 17-19.], vgl. Burgtheater: Dokumentation oder Bentz: Dichtung.
[132] Vgl. dazu ebd., S. 78-82.
[133] Ebd., S. 79. Zu Waldheims Reaktionen vgl. auch Kittner: Waldheim, Kurier, 11.10.1988.
[134] Burgtheater: Dokumentation, S. 31.
[135] Vgl. Anonymus: Schirm, Falter, 14.10.1988.

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