Heat (1995)

HEA

[Achtung – dieser Artikel nimmt das Ende des Films vorweg!]

In „Heat“ begegneten sich Robert de Niro und Al Pacino das erste Mal auf der Leinwand – Grund allein, dem Film von Michael Mann einen Platz in jeder Filmgeschichte zu sichern. Doch das Gangster-Drama ist mehr als ein Aufeinandertreffen zweier Schauspiel-Schwergewichte.

Schon als ich den Film mit 15 das erste Mal gesehen habe, hat er mich völlig in seinen Bann gezogen. Damals übte er eine eher unterschwellige Faszination auf mich aus: Das blaue, kalte Licht, die nüchternen Action-Szenen und die Bilder aus der Halbwelt von Los Angeles, dieser von Highways beherrschten Mega-City, waren neu für mich und auf eine diffuse Weise anziehend.

Als ich mir den Film nun noch einmal angesehen habe, sind mir vor allem zwei Szenen aufgefallen, die im Grunde die Frage beantworten, die der Film stellt: Was überwiegt, die Vernunft oder der Trieb? – In beiden Szenen zieht es die Waagschale mit dem Trieb nach unten.

In der einen Szene schafft es der von Danny Trejo gespielte Fahrer der Gangster-Bande um Michael McCauley (De Niro) nicht, vor Beginn eines Banküberfalls die Polizei abzuschütteln. Schneller Ersatz muss her und wie es der Zufall so will, arbeitet in der Küche des Diners, wo sich die Bande vor dem Job trifft, Donald Breedan (Dennis Haysbert), den McCauley aus dem Gefängnis kennt. McCauley spricht Breedan an und es braucht nicht viel Überredungskunst, ihn zum Mitmachen zu bewegen. Keine 30 Minuten später ist Breedan tot, erschossen von der Polizei.

Darin liegt eine gewisse Tragik, denn eigentlich war Breedan auf einem guten Weg. Er hatte eine loyale Frau an seiner Seite, die ihn trotz seiner Vergangenheit liebte und auf seinem Weg der Resozialisierung bestärkte. Unmittelbar vor seinem Bewerbungsgespräch bei dem Diner sagt sie ihm, dass sie stolz auf ihn ist, sodass es Breedan im Anschluss schafft, sich auf die Lippen zu beißen, als ihn der Chef des Lokals demütigt und ankündigt, einen Teil seines künftigen Gehalts einzubehalten. In Breedan rumort es; er ist gefühlte drei Köpfe größer als der Kerl und doppelt so breit, und man sah ihm an, dass er ihn am liebsten umgehauen hätte. Doch er hält Stand und arbeitet sich in der nächsten Zeit vom Kloputzer zum Grill vor.

Breedan könnte also tatsächlich stolz auf sich sein. Er hat Größe und Disziplin bewiesen. Doch als ihn McCauley anspricht, schmeißt er ohne lange zu zögern alles wieder hin und schließt sich der Bande an. Die Zweifel weichen schnell aus seinem Gesicht und machen einem Ausdruck von Genugtuung und Aufregung Platz. Als an seinem aufgebrachten Chef vorbeikommt, haut Breedan ihn um – „endlich!“, denkt man.

Dabei ist klar, dass Breedan einen Fehler macht, denn der Überfall kann nicht gut ausgehen, das spürt man schon. Doch Breedan tickt eben wie alle Gangster in dem Film und Kommissar Vincent Hanna (Pacino) auch: Sie sind allesamt Süchtige, Getriebene, Verlorene, die ganz genau wissen, dass ihr Spiel sie früher oder später alles kosten wird. Und doch können sie nicht damit aufhören.

So hat es McCauley gegen Ende des Films fast geschafft: Er ist der Polizei entgegen aller Wahrscheinlichkeit entkommen und muss nur noch mit seiner Beute ins Flugzeug steigen, neben sich die erste Frau, die ihm wirklich etwas bedeutet. Alles könnte also gut sein, er könnte sein Gangster-Leben hinter sich lassen und mit allem, was man sich wünschen kann, neu anfangen.

Aber er hat noch eine Rechnung offen. Ein Typ namens Waingro, der früher Mitglied in McCauleys Crew war, hat sie an die Polizei verraten. McCauley weiß, dass die Polizei damit rechnet, dass er sich noch dafür wird rächen wollen, und ihm in Waingros Hotel auflauert. McCauley weiß das, als er mit seiner Freundin im Auto zum Flughafen sitzt und mit seinem Hintermann telefoniert, der ihm seine Aufträge und nun neue Papiere und einen Fluchtplan verschafft hat, und dieser sagt es McCauley auch noch einmal: „Du wirst doch wohl nicht noch einen Gedanken an Waingro verschwenden?“ – „Mit Sicherheit nicht!“, antwortet McCauley.

Er legt auf und guckt ernst vor sich hin. Seine Freundin fragt ihn, ob alles ok sei, und er antwortet: „Ja.“ Dann kommt der typische De-Niro-Moment: Das konzentrierte Stirnrunzeln weicht einem Lächeln, das zwischen Hohn, so etwas wie peinlicher Berührung und Wut oszilliert. Kurz darauf reißt De Niro das Lenkrad rum, um die Ausfahrt noch zu erwischen. Seiner schon besorgten Freundin sagt er, dass er noch kurz eine Sache erledigen müsse. Es ist auch sein Ende.

Es siegt also der Trieb, der innere Drang, Dinge zu tun, von denen man weiß, dass sie einem selbst und anderen nicht gut tun. Die Figuren sind demgegenüber machtlos, auch weil sie keine Alternativen sehen. McCauley, der seinen Jäger Hanna in einer Szene bei einem Kaffee gegenübersitzt, fragt ihn, wie das aussehen soll, ein ganz normales Leben: „Burger und Baseball?“, und Vincent Hanna lächelt beipflichtend.

„Heat“ handelt also letztlich vom modernen Leben, einem Leben, das meistens anonym ist und kaum noch das Gefühl von Lebendigkeit auslöst. Und die einzigen Momenten, die davon abweichen, weil sie das Adrenalin hochjagen und den Unterbau des Menschen emporheben und greifbar machen, sind unmoralische Momente – oder wie Vincent Hanna es ausdrückt: „Immer wenn ich einen Weiberarsch sehe, werde ich zum Tier!“

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