6.3 – Kritik an Ludwig Klages

Auf die Auseinandersetzung mit dem Naturalismus folgt eine Kritik an den Gedanken Ludwig Klages, der eine der Scheler’schen ähnliche Grundkategorie „Leben und Geist“ bildet, wobei „Geist“ bei Klages eine andere Bedeutung als bei Scheler hat, da unter anderem die Intelligenz unter diesen Begriff fällt. So ist der Geist, wie Klages ihn sieht, nicht zu einer Ideenschau in der Lage und wird im Vergleich zum Geist von Scheler deutlich abgewertet. Was Scheler an Klages außerdem kritisiert, ist die Tatsache, dass Leben und Geist bei diesem in einen Kampf verstrickt sind, sich feindlich gegenüberstehen. Der Geist zerstört das Leben, die menschliche Kulturgeschichte ist eine Verfallsgeschichte. Scheler weist diese Theorie seiner eigenen gemäß zurück, denn er wirft Klages vor, dass der Geist an sich gar keine Energie besäße, um gegen das Leben tätig zu werden. Klages macht seine These vom zerstörenden Geist an historischen Beispielen von décadence fest. Scheler gesteht, dass es diese Fälle gegeben hat, macht aber einen anderen Umstand für ihr Auftreten verantwortlich – Übersublimierung. Damit ist ein Übermaß an „diskursive(r) intellektuelle(r) Tätigkeit“[1] gemeint, auf dem sich eine „Sehnsucht“ nach dazu in Kontrast stehender Primitivität vergangener Epochen gründet. Scheler spricht deswegen von „Sehnsucht“, weil es für ihn ausgemacht ist, dass so ein vollkommen „natürlicher“, i. e. geistloser, Zustand überhaupt nicht möglich ist, da der Trieb, der in diesem Falle unbehelligt herrschen soll, vom Geist erst enthemmt werden muss. Zwar hat es laut Scheler sehr wohl dionysische Zustände in der Menschheitsgeschichte gegeben – wenn auch keine vollkommenen -, aber diese waren nur durch eine „bewußte() Willenstechnik“[2] zu erreichen. Naiv vorhanden waren sie nicht.


[1] S. 86.

[2] Ebd.

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